Die stufenweise Wiedereingliederung ermöglicht es Ihnen, nach einer Erkrankung oder einem Unfall zurück ins Berufsleben zu finden und sich langsam wieder an den Arbeitsalltag zu gewöhnen. Hier erklären wir Ihnen, wann die stufenweise Wiedereingliederung (umgangssprachlich „Hamburger Modell“) für Sie in Frage kommt und wie Sie diese Leistung beantragen können.
Voraussetzungen
Wann kommt das „Hamburger Modell“ für mich in Frage?
Ich möchte nach einer Erkrankung zurück in meinen Beruf.
Sie sind erkrankt und konnten daher nicht mehr arbeiten. Nun möchten Sie langsam wieder an Ihre ehemalige Arbeitsstelle zurückkehren.
Ich bin teilweise wieder belastbar.
Ihr behandelnder Arzt bescheinigt, dass Sie teilweise wieder belastbar sind und wahrscheinlich am Ende der Wiedereingliederung voll in Ihren Beruf einsteigen können.
Ich gelte als arbeitsunfähig.
Während der gesamten Dauer der stufenweisen Wiedereingliederung gelten Sie als arbeitsunfähig. Das ist unter anderem wichtig, um finanzielle Unterstützung (Entgeltersatzleistungen) zu erhalten.
Alle Beteiligten stimmen zu.
Die stufenweise Wiedereingliederung kann sowohl von Ihrem behandelnden Arzt, dem zuständigen Reha-Träger, Ihrem Arbeitgeber als auch Ihnen angeregt werden. Der Wiedereingliederung zustimmen müssen allerdings nur Sie und Ihr Arbeitgeber. Es gilt das Prinzip der Freiwilligkeit. Wenn es Probleme bei der Umsetzung gibt, wenden Sie sich am besten an Ihren zuständigen Reha-Träger.
Auch kann das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) Sie bei der Umsetzung der stufenweisen Wiedereingliederung im Betrieb unterstützen.
In vielen Fällen machen Sie vor der stufenweisen Wiedereingliederung zunächst eine stationäre oder ambulante Reha. Hier prüfen die Ärzte der Reha-Einrichtung, ob Sie mit dem „Hamburger Modell“ zurück in die Arbeitswelt finden können. Außerdem unterstützt die Reha-Einrichtung oder ihr behandelnder Arzt Sie bei der Beantragung der Wiedereingliederung.
Der Stufenplan
Der Stufenplan ist der zentrale Fahrplan der Wiedereingliederung: In Ihm sind neben Beginn und Ende der Maßnahme vor allem die Wochenstunden und Aufgabenfelder für jede einzelne Stufe festgehalten. In der Regel beginnen Sie mit wenigen Arbeitsstunden und Verantwortungsbereichen, so dass Sie nach erfolgreichen Abschluss wieder voll in ihren Beruf einsteigen können.
Ihr Arzt beobachtet den Verlauf der Wiedereingliederung: Brauchen Sie für die Bewältigung einer Stufe länger oder kürzer, besteht die Möglichkeit das Tempo des Fahrplans Ihrer Gesundheit anzugleichen. Sind Sie psychisch noch nicht ausreichend belastbar. Ist der Arbeitsplatz anzupassen? Generell muss der Stufenplan stetig überprüft und der Wirklichkeit angepasst werden. Bei Problemen am Arbeitsplatz kann Ihnen auch durch das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) geholfen werden.
Achtung: Vergessen Sie nicht, ihre Krankenkasse oder ihre Rentenversicherung oder den zuständigen Unfallversicherungsträger zu informieren, falls sich Beginn und/oder Ende der Wiedereingliederung verschieben. Nur so kann die pünktliche Auszahlung der Entgeltersatzleistung gewährleistet werden.
Arbeiten trotz Arbeitsunfähigkeit?
Was erst einmal widersprüchlich klingt, ist durchaus sinnvoll, da …
- … Sie sich schrittweise an die Arbeitsbelastung gewöhnen.
- … Sie am Ball bleiben und wenig an Kompetenz und Expertise einbüßen.
- … Sie Ihren Arbeitsplatz sichern.
- … Sie Ihre Chancen auf dauerhafte soziale Teilhabe erhöhen.
Beantragung
Wie beantrage ich die Wiedereingliederung?
Haben Sie sich mit Arzt und Arbeitgeber im Stufenplan auf ein Vorgehen geeinigt, können Sie die stufenweise Wiedereingliederung bei der Ihrem zuständigen Reha-Träger (Kranken-,Renten- oder Unfallversicherung) beantragen.
Die Rentenversicherung ist zuständig, wenn Sie direkt in Anschluss an eine Reha-Leistung wieder einsteigen und der Arzt der Reha-Einrichtung das Verfahren für Sie einleitet. Die Wiedereingliederung darf dabei nicht später als vier Wochen nach der Reha beginnen, um Anspruch auf alle Leistungen zu haben. Die Unfallversicherung ist zuständig, wenn die stufenweise Wiedereingliederung infolge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit notwendig ist.
Das wichtigste Dokument für die Beantragung ist die Beginnmitteilung, die Sie vom Reha-Träger erhalten: Auf ihr bestätigen Arzt und Arbeitgeber die Laufzeit der Wiedereingliederung und die im Stufenplan definierten Bedingungen.
Monatlich erhalten Sie dann weitere Folgebescheinigungen, die alle Beteiligten erneut gegenzeichnen. Diese sind wichtig, damit Sie regelmäßig finanzielle Unterstützung bekommen. Gegen Ende der Wiedereingliederung schickt der Reha-Träger Ihnen eine Abschlussbescheinigung.
Wer hilft mir bei der Beantragung?
Ärzte, Arbeitgeber, Versicherung: Die Koordinierung aller Beteiligten kann aufwändig und schwer zu durchschauen sein. Gut, dass es unabhängige Hilfen gibt, an die Sie sich wenden können:
- Der Sozialdienst der Reha-Einrichtung
Steigen Sie nach einer Reha wieder ins Berufsleben ein, ist der jeweilige Sozialdienst der Einrichtung für Sie zuständig. - Die ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB)
Die Beratungsangebote der EUTB unterstützen, informieren und beraten Sie bei allen Fragen zu Rehabilitation und Teilhabe. - Unabhängige Sozialverbände (zum Beispiel VdK, SoVD)
Sie helfen bei vielen Anliegen zur gesellschaftlichen Teilhabe weiter.
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Finanzielle Sicherheit
Während der stufenweisen Wiedereingliederung sind Sie finanziell abgesichert. In den ersten sechs Wochen der Erkrankung wird Ihr Lohn vom Arbeitgeber fortgezahlt.
Danach gibt es drei Möglichkeiten – je nachdem, welche Versicherung die Wiedereingliederung trägt:
- Die Krankenkasse zahlt während der Wiedereingliederung ein Krankengeld in Höhe von 70% Ihres Bruttolohns, solange Sie als arbeitsunfähig gelten. Die Bezugsdauer darf dabei 78 Wochen innerhalb von drei Jahren nicht überschreiten.
- Leitet die Reha-Stelle die Maßnahme ein, bekommen Sie während der Reha und für die Dauer der Wiedereingliederung ein Übergangsgeld von der Rentenversicherung (68% des Nettolohns bei kinderlosen Versicherten, 75% bei Versicherten mit Kindern). Wichtig ist, dass die Maßnahme nicht später als vier Wochen nach der Reha beginnt.
- In Sonderfällen kann auch die Unfallversicherung für Sie zuständig sein und ein Verletztengeld stellen (80% des Bruttolohns).
Erhalte ich einen Lohn während der Wiedereingliederung?
Da Sie für die gesamte Dauer der Wiedereingliederung als arbeitsunfähig gelten, kann der Arbeitgeber Ihnen freiwillig einen Lohn zahlen – gesetzlich verpflichtet ist er dazu nicht. Vereinbarungen zum Gehalt werden im Stufenplan festgehalten und für alle nachlesbar beschlossen. Die gezahlten Versicherungsleistungen werden mit Ihrem Lohn verrechnet
Abbruch
Die Wiedereingliederung kann aus gesundheitlichen oder betrieblichen Gründen bis zu sieben Tage unterbrochen werden – dauert die Unterbrechung länger an, endet die Leistung der „stufenweisen Wiedereingliederung“ offiziell.
Darüber hinaus kann die Wiedereingliederung jederzeit von Ihnen, dem behandelnden Arzt, dem Reha-Träger oder dem Arbeitgeber abgebrochen werden. Was zum Abbruch führt, wird ebenfalls im Stufenplan festgehalten.
Typische Gründe sind:
- Eine Verbesserung des Gesundheitszustandes
Bei einer Verbesserung können Sie nach Absprache mit Arzt und Arbeitgeber schneller als im Stufenplan festgehalten wieder in den Beruf einsteigen. - Eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes
Bei einer Verschlechterung können Arzt oder Arbeitgeber zu dem Schluss kommen, dass eine erfolgreiche Wiedereingliederung nicht mehr möglich ist und sie die Maßnahme daher beenden möchten.
Im Falle eines Abbruchs erhalten Sie weiterhin Kranken-, Übergangs- oder Verletztengeld für die gesetzlich festgeschriebene Zeit.
Zusammen mit den Beteiligten entscheiden Sie dann, welche Möglichkeiten ergriffen werden können: Das kann zum Beispiel die Aufnahme einer Krankenbehandlung, eine weitere Reha oder eine ergänzende Therapie sein. Auch ein zweiter Versuch der Wiedereingliederung zu einem späteren Zeitpunkt ist denkbar. Falls die Wiedereingliederung am bisherigen Arbeitsplatz nicht gelingt, kommen ggf. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) in Betracht.
Sie brauchen rechtliche Beratung?
Wenn Sie die Gründe des Arztes oder Arbeitgebers für einen Abbruch nicht anerkennen, können Sie beim Medizinrechts-Beratungsnetz um unabhängige Unterstützung bitten. Sie helfen bei allen Fragen zum Medizinrecht oder zum gesundheitsbezogenen Sozialrecht mit einer ersten Einschätzung weiter.
Mehr zum Hamburger Modell
Sie wollen mehr über das Hamburger Modell und die weiteren Maßnahmen des Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) wissen? Wir bieten Ihnen auf unserer Website einen umfassenden Überblick.
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