Sie sind taub, schwerhörig oder ertaubt? Dann haben Sie im Umgang mit staatlichen Einrichtungen (z.B. vor Ämtern, Behörden und Gerichten) sowie in einigen zentralen Lebensbereichen (wie Gesundheit, Bildung oder Arbeit) einen Rechtsanspruch auf einen Gebärdensprach- oder Schriftdolmetscher.
Wie Sie Ihr Recht wahrnehmen können, erklären wir Ihnen hier.
Ihr Rechtsanspruch
Der Rechtsanspruch ist an verschiedenen Stellen des Sozialgesetzbuchs (SGB) sowie im Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) (BGG) und in der Kommunikationshilfenverordnung (KHV) verankert. Auch die einzelnen Bundesländer haben den Anspruch auf Gebärdensprach- und Schriftdolmetscher in ihre Landesgleichberechtigungsgesetze (LBGB) übernommen.
Seit 2009 ist in Deutschland zudem die UN-Behindertenrechtskonvention in Kraft:
Ziel der Vereinten Nationen ist es, inklusive Gesellschaften zu fördern, in denen alle Bürger an allen Lebensbereichen gleichberechtigt und unabhängig teilnehmen können. Wenn Sie mehr über Inklusion erfahren möchten, lesen Sie sich unseren Ratgeber zu diesem Thema durch:
Damit gesellschaftliche Teilhabe für alle gelingt, verpflichten sich die Unterzeichnerstaaten unter anderem dazu, „professionelle Gebärdensprachdolmetscher und –dolmetscherinnen zur Verfügung zu stellen, mit dem Ziel, den Zugang zu Gebäuden und Einrichtungen, die der Öffentlichkeit offenstehen, zu erleichtern.“
Für Sie bedeutet das, dass Sie vor staatlichen Behörden, im Gesundheitswesen und in anderen elementaren Lebensbereichen einen Dolmetscher zur Kommunikation nutzen können, wenn Sie taub, schwerhörig oder ertaubt sind.
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Schnell erklärt: Unterschied Gebärdensprach- und Schriftdolmetscher
Gebärdensprachdolmetscher:
Gebärdensprachdolmetscher übersetzen in beide Richtungen – d. h. für gehörgeschädigte und hörende Menschen. Wenn primär für hörende Personen gedolmetscht wird (etwa auf einer Gehörlosenkonferenz) spricht man auch von „voicen“ in der Fachsprache. In Deutschland unterscheidet man dabei zwei Formen: Die Deutsche Gebärdensprache (DGS) und die Lautsprachbegleitenden Gebärden (LBG). Erstere wird meist von gehörlosen Menschen benutzt, Letztere vor allem von vielen schwerhörigen und ertaubten Mitbürgern.
Simultan vs. Konsekutiv:
In der überwiegenden Zahl ihrer Einsätze sind Gebärdensprachdolmetscher direkt in der Kommunikationssituation dabei. Diese Praxis nennt man simultanes Dolmetschen und ist die häufigste Übersetzungsweise von Gebärdensprachdolmetschern.
In Ausnahmefällen kann es auch nötig sein, konsekutiv zu dolmetschen: Hierbei notiert sich der Dolmetscher zunächst die zu übersetzenden Passagen, um sie im Anschluss nacheinander wiederzugeben. Da der Gebärdensprachdolmetscher beim konsekutiven Arbeiten mehr Zeit benötigt und sich die Gesprächsdauer verlängert, steigen in der Regel auch die Kosten für seinen Einsatz.
Schriftdolmetscher:
Schriftdolmetscher schreiben das gesprochene Wort wortwörtlich oder in zusammengefasster Form möglichst schnell mit, um es hörgeschädigten Menschen zu erlauben, Reden, Vorträgen oder Ähnlichem zu folgen. Durch das Mitschreiben in Echtzeit kann sich die hörgeschädigte Person aktiv an Diskussionen beteiligen oder auch Rückfragen stellen.
Schriftdolmetschen versteht sich primär als Angebot für schwerhörige oder spätertaubte Menschen, die zumeist oft nicht oder nur sehr eingeschränkt die Gebärdensprache beherrschen, jedoch der Schriftsprache gut folgen können.
Kosten & Leistungsträger
In den folgenden Bereichen können staatliche Stellen Kosten für Gebärdensprachdolmetscher übernehmen:
- öffentliche Verwaltung (Ämter und Behörden)
- Rechtswesen (Gericht)
- Gesundheitswesen (Ärzte und Krankenhaus)
- Arbeitsleben
- Bildungswesen (Aus- und Weiterbildung, Schulen, Studium)
Wer der genaue Kostenträger im Einzelfall ist, kommt immer auf die Situation an, in der ein Gebärdensprach- oder Schriftdolmetscher benötigt wird. Zudem haben die Bundesländer leicht abweichende Regelungen in bestimmten Bereichen getroffen, wie etwa für Polizeivernehmungen oder vor Landesbehörden.
Hier finden Sie daher exemplarisch einen kleinen Auszug der Träger, die im Rahmen von Sozialleistungen die Kosten für Dolmetscher übernehmen können – natürlich gibt es darüber hinaus aber auch noch weitere Bereiche:
- Krankenkassen:
z.B. Arztbesuche, Physiotherapie (erster und letzter Termin/bei Behandlungswechsel), ambulante Krankenhaustermine - Krankenhaus:
z. B. stationäre Krankenhausbehandlungen - Die Pflegekassen:
z.B. Beratungsgespräche - Die Deutsche Rentenversicherung Bund:
z.B. Beratungsgespräche, Kontenklärung - Die Berufsgenossenschaften:
z. B. im Rahmen von Leistungen der Berufsgenossenschaften - Die Bundesagentur für Arbeit und die Agenturen für Arbeit/Jobcenter:
z. B. Beratungsgespräche, Vorstellungsgespräche, z.T. Probearbeit/Einarbeitung - Sozialamt:
z.B. Gespräche, Hilfeplangespräche, Frühförderung (nach der Diagnostik) - Jugendamt:
z.B. Gespräche, Beratungen - Integrationsamt:
z. B. für Leistungen im Arbeitsleben - und weitere mehr
Einsatzgebiete ohne festen Rechtsanspruch
In bestimmten Bereichen des gesellschaftlichen Lebens gibt es bisher noch keine gesetzlichen Regelungen für die Übernahme von Dolmetscherkosten.
Einsätze von Gebärdensprachdolmetschern kommen in diesen Bereichen deshalb nur unregelmäßig und auf Initiative von einzelnen Personen oder Institutionen zustande. Die Finanzierung erfolgt durch Sponsoren oder durch bestimmte Einrichtungen, die ein Interesse am Einsatz von Gebärdensprachdolmetschern haben.
Zu diesen Bereichen zählen unter anderem:
- Religion
- Politik
- Kunst und Kultur
- Verstößemeldung
Erkundigen Sie sich daher schon im Vorfeld, ob zum Beispiel der Veranstalter einer politischen Kundgebung oder eines kulturellen Events bestimmte Vorkehrungen für hörgeschädigte Teilnehmer getroffen hat oder ob eine Kostenübernahme seitens des Veranstalters oder eines Vereins möglich ist.
Kosten für Dolmetscher
Grundlage für fast alle gesetzlichen Regelungen zur Vergütung von Dolmetschern sind die Kostenregelungen des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) für Simultandolmetscher.
Sie gelten für Gerichte, für Sozialleistungsträger, für Bundesbehörden und auch für viele Landesbehörden. Auch die Integrationsämter lehnen sich in Teilen daran an:
- 1 Stunde Übersetzungszeit = 85,- €
- jede angefangene halbe Stunde = 42,50 €
Wegstreckenentschädigung (pro Km):
Dies sind natürlich nur Richtwerte für die Höhe möglicher Kosten. Erkundigen Sie sich im Einzelfall, was in Ihrer jeweiligen Situation und in Ihrem Bundesland tatsächlich gilt.
Gebärdensprache auf einfach-teilhaben.de
Viele Angebote auf einfach-teilhaben.de sind übrigens auch in Deutscher Gebärdensprache verfügbar. Hier finden Sie einen kurzen Überblick zu den Themen in Gebärdensprache.
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